Die Untersuchungshaft
§§ 112 ff. StPO
Grundsätzliches
Während des gesamten Strafverfahrens gilt bis zur rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts darf daher grundsätzlich auch keine Bestrafung des Beschuldigten erfolgen. Die Untersuchungshaft stellt daher nicht eine Art vorgezogene Bestrafung dar, sondern dient allein der Sicherung der Untersuchungen der Ermittlungsbehörden. Daraus folgt, dass der dringende Tatverdacht, also die sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte eine Straftat verübt hat, alleine nicht ausreicht, um eine Untersuchungshaft anzuordnen, und zwar unabhängig davon, wie schwer die im Raum stehende Straftat auch sein mag. Neben einem dringenden Tatverdacht, muss zumindest einer der in § 112 Abs. 2 und § 112a StPO genannten Haftgründe vorliegen. Außerdem darf die U-Haft insbesondere im Hinblick auf die zu erwartende Strafe nicht unverhältnismäßig sein.
In der Praxis wird die Untersuchungshaft am häufigsten auf eine angeblich bestehende Fluchtgefahr oder auf die Verdunkelungsgefahr gestützt, während eine tatsächlich bereits erfolgte Flucht und die konkrete Wiederholungsgefahr im Vergleich dagegen seltener bemüht werden. Für die Frage der Fluchtgefahr wird im Wesentlichen darauf geschaut, wie hoch der Fluchtanreiz für den Beschuldigten ist, der regelmäßig umso höher sein wird, je höher die ihm zu erwartende Strafe ausfallen wird. Dagegen können insbesondere soziale Bindungen in Familie und Beruf gegen eine Fluchtgefahr sprechen. Außerdem wird geschaut, wie leicht dem Beschuldigten eine Flucht fallen würde. Leichter wird ihm die Flucht regelmäßig fallen, wenn er über das nötige Vermögen verfügt oder Verbindungen ins Ausland hat. Eine Verdunkelungsgefahr liegt vor, wenn zu erwarten ist, dass Zeugen beeinflusst oder Beweismaterialien vernichtet werden.
Unverhältnismäßig ist eine U-Haft insbesondere, wenn die Sicherung des Ermittlungsverfahrens auch durch für den Beschuldigten weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden kann. Durch eine Beschlagnahme des Reisepasses oder eine Meldeauflage kann eine Flucht häufig so weit erschwert werden, dass keine reelle Gefahr mehr besteht, dass der Beschuldigte sich den Strafverfolgungsbehörden entziehen wird. Ferner ist eine Untersuchungshaft regelmäßig unverhältnismäßig, wenn wegen der im Raum stehenden Straftat nicht einmal eine Freiheitsstrafe zu erwarten ist.
Rechtsbehelfe
Gegen den Haftbefehl kann zunächst ein Antrag auf Haftprüfung nach § 117 Abs. 1 StPO gestellt werden. Der Antrag nach § 117 StPO kann jederzeit und in unbegrenzter Anzahl gestellt werden. Nach § 126 StPO entscheidet über den Antrag auf Haftprüfung der Haftrichter, der den Haftbefehl erlassen hat. Erfolgsversprechend ist ein Antrag auf Haftprüfung daher in der Regel nur dann, wenn dem Haftrichter neue entlastende Tatsachen vorgetragen werden können, von denen der Haftrichter bei Erlass des Haftbefehls noch keine Kenntnis hatte. Ihm Rahmen der Haftprüfung findet grundsätzlich eine mündliche Verhandlung statt, in dem der Haftrichter einen persönlichen Eindruck von dem Beschuldigten erlangt. Dringt man mit seinen Argumenten durch, wird der Richter den Haftbefehl aufheben oder aussetzen. Nach drei Monaten erfolgt eine Haftprüfung von Amtswegen auch ohne dass ein entsprechender Antrag gestellt wurde. Ferner findet nach sechs Monaten eine Überprüfung der Voraussetzung der Fortdauer der Untersuchungshaft nach §§ 121, 122 StPO durch das Oberlandesgericht statt.
Alternativ und nicht gleichzeitig kann eine Haftbeschwerde nach §§ 304 ff. StPO eingelegt werden, was häufig nach erfolgloser Haftprüfung in Betracht kommt, aber auch unabhängig von einer Haftprüfung möglich ist. Nach erfolgloser Haftbeschwerde nach §§ 304 ff. StPO sind nur noch weitere Beschwerden nach § 310 StPO möglich. Die Haftbeschwerde kann im Gegensatz zum Antrag auf Haftprüfung bereits vor Vollzug des Haftbefehls eingelegt werden. Auch die Haftbeschwerde landet zunächst beim Haftrichter; hilft dieser der Haftbeschwerde jedoch nicht ab, muss er sie dem nächsthöheren Beschwerdegericht vorlegen. HIerdurch besteht der Vorteil, dass ein anderer Richter, als der, der den Haftbefehl erlassen hat, über die Sache entscheidet. Die Haftbeschwerde kommt daher auch immer dann in Betracht, wenn zwar keine neuen entlastenden Tatsachen vorgetragen werden, der Haftbefehl aber auch auf Grundlage der bereits bekannten Tatsachen schon nicht erlassen werden hätte dürfen. Das Haftbeschwerdeverfahren beinhaltet im Gegensatz zur Haftprüfung jedoch keine mündliche Verhandlung, sondern ergeht im schriftlichen Verfahren, sodass das Beschwerdegericht keinen persönlichen Eindruck von dem Beschuldigten erhält. Die Haftbeschwerde sollte nicht leichtfertig eingelegt werden, weil mit einer Zurückweisung eine höher instanzliche Entscheidung zuungunsten des Beschuldigten erfolgt, die Einfluss auf das weitere Strafverfahren haben kann.
Besonderheiten bei der Verteidigung in U-Haft-Sachen
U-Haft-Sachen zeichnen sich im Wesentlichen durch die besondere Belastung für den Mandanten im sowieso schon aufreibenden Strafverfahren aus. In der Untersuchungshaft wird regelmäßig nur der Verteidiger zum Beschuldigten vorgelassen. Darüber hinaus hat der Beschuldigte grundsätzlich keinen Kontakt zur Außenwelt. Besuche und Telefonate werden ihm in aller Regel verwehrt. Briefe, mit Ausnahme der Verteidigerpost, gelangen nur im geöffnetem Zustand zu ihm, nachdem sie zuvor von Justizvollzugsbeamten gelesen wurden. Für den Verteidiger folgt hieraus eine besondere Verantwortung, die nicht nur die juristische Komponente umfasst. So muss der Verteidiger nicht nur mit dem ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln alles in seiner Macht stehende für den Mandanten tun, sondern ebenso seiner Rolle als häufig einzige Bezugsperson auf Seiten des Mandanten gerecht werden und ihm in dieser belastenden Zeit auch persönlich zur Seite stehen.