Bundesgerichtshof

Urteil vom 04. Mai 2021

Der Bundesgerichtshof äußert sich zum Subvenbtionsbetrug im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfen

Der BGH hatte im Mai 2021 erstmals zu einem Betrugsfall im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfen zu entscheiden.
Der Entscheidung des BGH lag ein Urteil des Landegerichts Stade zu Grunde, in dem der bereits vielfach einschlägig vorbestrafte Angeklagte wegen siebenfachen Subventionsbetruges, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt wurde.
Das Landgericht Stade sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte im Frühjahr 2020 in vier Bundesländern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen, Corona Soforthilfen für ein tatsächlich nicht existierendes Kleingewerbe beantragte und daraufhin insgesamt 50.000 Euro erlangte. In drei Fällen soll er dabei fremde Personendaten verwendet haben.
Mit Beschluss vom 04.05.2021 (6 StR 137/21) bestätigte der 6. Strafsenat nun die Entscheidung des Landgerichts Stade und verwarf die Revision des Angeklagten als unbegründet. Damit ist die Entscheidung rechtskräftig.

Corona-Soforthilfen als Subventionen

Der BGH stellt in seiner im Umfang knapp ausfallenden Entscheidung zunächst klar, dass es sich bei den sog. Corona-Soforthilfen um Subventionen i.S.d. § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB handelt, da sie ohne eine marktmäßige Gegenleistung von den Ländern aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht (vorliegend aus Haushaltsgesetzen) Betrieben und Unternehmen gewährt werden und zumindest auch der Förderung der Wirtschaft dienen. Gerade der letzte Punkt wurde vereinzelt angezweifelt, weil die Corona-Soforthilfen (auch) der Sicherung privater Existenzen diene und es sich damit um eine dem Straftatbestand des § 264 StGB gerade nicht unterfallende private Sozialsubvention handeln solle.[1] Dies überzeugt nicht, da die Corona-Soforthilfen zumindest auch der Förderung der Wirtschaft dienen[2], was für die Qualifizierung als Subvention im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB nach gefestigter Rechtsprechung ausreicht, sodass die BGH Entscheidung insoweit nicht zu beanstanden ist.

Urteilsgründe 

Die in den streitgegenständlichen Anträgen enthaltenden Bezeichnungen von Tatsachen als subventionserheblich, genügen den Anforderungen des § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB.

Rechtlich brisanter sind die Ausführungen des BGH zu den subventionserheblichen Tatsachen i.S.d. § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB.

Nach § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB sind Tatsachen subventionserheblich, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind.

Sinn und Zweck des Merkmals der Subventionserheblichkeit ist es, angesichts der zahlreichen Normativbegriffe des Subventionsrechts sicherzustellen, dass sowohl die Vergabevoraussetzungen für den Subventionsempfänger als auch etwaige Täuschungshandlungen für den Subventionsgeber und die Strafverfolgungsorgane möglichst klar erkennbar sind.[3] Pauschale oder lediglich formelhafte Bezeichnungen reichen dabei nicht aus; vielmehr muss die Subventionserheblichkeit klar und unmissverständlich auf den konkreten Fall bezogen dargelegt werden. [4]

Konkret hat der BGH zwei unterschiedliche Antragsformulare aus Niedersachsen, ein Antragsformular aus Sachsen, eines aus Nordrheinwestfalen und eines aus Baden-Württemberg zu untersuchen.

Im Beschluss werden die Hinweise in den Formularen im Einzelnen wie folgt umschrieben:

Eines der Formulare aus Niedersachsen („Version 1“) bezeichne unter der Ziffer 4 die Angaben zum Antragsteller, zum Unternehmen und zum Förderbedarf ausdrücklich als subventionserhebliche Tatsachen.

Das untersuchte Formular aus Sachsen bezeichne dieselben Angaben in einem erläuternden Zusatz als subventionserheblich.

In den vom BGH untersuchten Antragsformularen aus Nordrheinwestfalen und aus Baden-Württemberg müsse der Antragsteller „durch ein zu setzendes Kreuz seine Kenntnis bestätigen, dass es sich bei den Angaben unter Ziffer […] um subventionserhebliche Tatsachen handelt“. Unter den aufgezählten Ziffern seien auch Angaben zu Personalien, Art und Beschäftigungszahl des Unternehmens sowie dessen Förderbedarf abgefragt worden.

In dem anderen Formular aus Niedersachsen („Version 2“) sei der Hinweis aufgeführt, dass „alle in diesem Antrag (inklusive dieser Erklärung) anzugebenden Tatsachen subventionserheblich im Sinne von § 264 StGB sind“.

Die rechtlichen Anforderungen des § 264 Abs. 9 StGB an die Bezeichnung einer Tatsache als subventionserheblich, sieht der BGH in all den streitgegenständlichen Antragsformularen als erfüllt an.

Die Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen erfordere der 6. Strafkammer nach keine wörtliche Wiederholung, sondern könne sich auch aus einer präzisen Verweisung ergeben.[5] Da nur einige und zudem fast ausschließlich erhebliche Tatsachen abgefragt worden seien, werde die umfangreiche Verweisung nicht zu einem grundsätzlich unzulässigen pauschalen oder lediglich formelhaften Hinweis, zumal sie sich nur auf im Antragsformular selbst enthaltene Angaben beziehe.[6] Besonders weit geht der BGH, wenn er davon ausgeht, dass auch der im niedersächsischen Formular („Version 2“) enthaltene Hinweis für die nötige Klarheit über die subventionserheblichen Tatsachen bei dem Subventionsnehmer sorge.[7] Es läge insbesondere keine unzulässige pauschale und lediglich formelhafte Verweisung vor, da es nicht dem Antragsteller bzw. Subventionsnehmer überlassen sei, sich Klarheit über die maßgeblichen Tatsachen und Angaben zu verschaffen.[8] Auch die Auffassung, dass es unschädlich sei, wenn auch auf Tatsachen verwiesen werde, die offenkundig nicht subventionserheblich sind, bestätigt der BGH mit seinem Beschluss.[9] Der BGH deutet in seiner Entscheidung an, dass er die Anforderungen des § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB an die Hinweise erst unterschritten sieht, wenn lediglich der Wortlaut von § 264 Abs. 9 StGB oder § 2 SubvG wiederholt werde oder auf den Antrag nebst umfangreicher Anlagen, Gesprächsprotokolle, Finanzierungspläne und Bewilligungsbescheide Bezug genommen werde.[10]

Dass die Frage zu den Anforderungen an die Hinweise in den Antragsformularen zu Kontroversen führen kann, zeigt ein Fall aus Hamburg vom Januar, in dem die Staatsanwaltschaft eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg, sich in einer Corona Betrugssache für unzuständigen zu erklären, u.a. darauf stützte, dass keine Strafbarkeit des Angeschuldigten nach § 264 StGB vorliege, weil die im von dem Angeschuldigten ausgefüllten online-Formular enthaltenden Verweise auf verschiedene Ziffern des Antrags zum einem zu pauschal und ungenau formuliert seien, zum anderen auf Tatsachen verweise, die offenkundig nicht subventionserheblich seien und somit die Verweise nicht den Anforderungen an die Bezeichnung von subventionserheblichen Tatsachen i.S.d. § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB erfüllten.[11]

Der Hinweis in dem Hamburger Verfahren streitgegenständliche online-Antragsformular auf die subventionserheblichen Tatsachen war dabei sogar weniger pauschal als das vom BGH zu entscheidende Formular aus Niedersachsen („Version 1“) weil es nicht auf alle Punkte des Antrags verwies, wenn auch auf die meisten, inklusive einiger offenkundiger nicht subventionserheblichen.

Das über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft zu entscheidende Landgericht Hamburg sah die Anforderungen des § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB wiederum für erfüllt an und verwarf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft.[12]

Zumindest derartige Unsicherheiten dürfte die Entscheidung des BGH beseitigt haben, in dem es sogar den Hinweis des Antragsformulars aus Niedersachsen („Version 2“) als ausreichend anerkennt; freilich jedoch zum Nachteil der Beschuldigten.

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Bei allen Taten habe ein unbenannter schwerer Fall nach § 264 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgelegen

Streng aus Sicht der Beschuldigten ist der BGH in seinem Beschluss auch im Hinblick auf die Annahme eines besonders schweren Falles im Sinne des § 264 Abs. 2 Satz 2 StGB.

Der Ansicht der großen Strafkammer des Landgerichts Stade begegne dem BGH nach keinen Bedenken, wonach das vorsätzliche Ausnutzen eines Soforthilfeverfahrens in einer deutschlandweiten Notlage, die mehrfach und in verschiedenen Bundesländern gestellten Anträge und der Gesamtumfang der unberechtigt erlangten Unterstützungsleistungen von 50.000 €, nach wertender Betrachtung den benannten Regelbeispielen in § 264 Abs. 2 StGB gleichgestellt seien.[13] Schon aus der Gewerbsmäßigkeit folge auch beim Subventionsbetrug eine Indizwirkung für das Vorliegen eines unbenannten besonders schweren Falles.[14]

Fazit

Durch die Entscheidung des BGH wird eine Verteidigung auf Ebene des objektiven Tatbestandes anspruchsvoll. Die vom BGH mit seiner Entscheidung gesetzte Hürde ist so niedrig, dass nahezu alle Antragsformulare die Anforderungen an die Hinweise auf die Subventionserheblichkeit erfüllen werden. Der BGH legt damit fest, dass jedem Antragsteller durch die teils unscheinbaren Hinweise, potentiell bewusst gewesen sein muss, welche strafrechtliche Relevanz seine Angaben gehabt haben. Besonders problematisch ist, dass § 264 Abs. 5 StGB für die Strafbarkeit bloße Leichtfertigkeit des Antragsstellers genügen lässt (anders als beim einfachen Betrug nach § 263 StGB, der eine vorsätzliche Tatbegehung erfordert). Wer also beim Ausfüllen des Antrags aus Sicht des Gerichts „einen besonders schweren Pflichtverstoß begeht, bei dem er sich in krasser Weise über die gebotene Sicherheit hinwegsetzt“[15], muss mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren rechnen, § 264 Abs. 5 StGB. Bei vorsätzlicher Begehung beträgt der Strafrahmen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe (§ 264 Abs. 1 StGB) und bei Annahme eine besonders schweren Falles nach § 264 Abs. 2 Satz 1 StGB scheidet eine Geldstrafe sogar aus und der Antragsteller muss mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren rechnen. Ab wo der BGH die Grenze zum besonders schweren Fall überschritten sieht, kann auf Grundlage der Entscheidung zwar nicht gesagt werden. Mit dem Hinweis auf die Indizwirkung bei Gewerbsmäßigkeit scheint der BGH aber auch hier die Grenze nicht allzu hoch ansetzen zu wollen, zumal die Gewerbsmäßigkeit[16], im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfen nicht selten anzunehmen sein dürfte.

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[1] [2] [3] vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2018 – 3 StR 449/17, NStZ-RR 2019, 147 mwN.[4] vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3115; Urteil vom 11. November 1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 238.[5] BGH, Beschluss vom 04. Mai 2021 – 6 StR 137/21 -,juris RN. 10.[6] BGH, Beschluss vom 04. Mai 2021 – 6 StR 137/21 -,juris RN. 10.[7] BGH, Beschluss vom 04. Mai 2021 – 6 StR 137/21 -,juris RN. 11.[8] BGH, Beschluss vom 04. Mai 2021 – 6 StR 137/21 -,juris RN. 11.[9] So etwa auch LG Hamburg, Beschluss v. 18.01.2021 – 608 Qs 18/20.[10] BGH, Beschluss vom 04. Mai 2021 – 6 StR 137/21 -,juris RN. 11.[11] LG Hamburg 8. Große Strafkammer, Beschluss vom 18.01.2021 – 608 Qs 18/20[12] LG Hamburg 8. Große Strafkammer, Beschluss vom 18.01.2021 – 608 Qs 18/20[13] BGH, Beschluss vom 04. Mai 2021 – 6 StR 137/21 -,juris RN. 12.[14] BGH, Beschluss vom 04. Mai 2021 – 6 StR 137/21 -,juris RN. 12.[15] Definition der Leichtfertigkeit, BGH mit Urteil vom 01.07.2010, Az.: I ZR 176/08.[16] also die Absicht, sich durch wiederholte Begehung von Straftaten gleicher Art nicht nur vorübergehend eine Einkommensquelle zu erschließen, Fischer, Kommentar zum StGB, 67. Auflage 2020, § 243 RN. 18.