Das Strafbefehls­verfahren

 §§ 407 ff. StPO

Grundsätzliches zum Strafbefehls­verfahren

Bei „Vergehen“, also Straftaten, für die das Gesetz eine Mindeststrafe von unter einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vorsieht, kann das Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft eine Strafe verhängen, ohne dass eine mündliche Hauptverhandlung stattgefunden hat. Wenn das Gericht die Schuld des Beschuldigten für wahrscheinlich hält und nicht wegen der Bedeutung der Sache oder zur Aufklärung von Nebenumständen eine mündliche Verhandlung für erforderlich hält und das Gericht auch die von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafe für angemessen erachtet, erlässt das Gericht einen Strafbefehl und stellt ihn dem Angeklagten zu. Im Strafbefehlsverfahren muss das Gericht nicht von der Schuld des Beschuldigten überzeugt sein.

Durch einen Strafbefehl darf das Gericht keine höheren Strafen als eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verhängen. Eine Freiheitsstrafe darf jedoch nur verhängt werden, wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und deren Vollstreckung muss zwingend zur Bewährung ausgesetzt werden.

 

Rechtmittel gegen den Strafbefehl

Gegen einen Strafbefehl kann binnen zwei Wochen ab Zustellung des Strafbefehls beim Amtsgericht Einspruch eingelegt werden. Wird der Einspruch nicht rechtzeitig und formgerecht eingelegt, wird der Strafbefehl rechtskräftig und entfaltet dieselbe Wirkung wie ein normales Strafurteil. Wird der Einspruch rechtzeitig und formgerecht eingelegt, wird das Gericht einen Termin zur Hauptverhandlung gegen den Angeklagten anberaumen, bei dem der Angeklagte sich selbst oder durch seinen Verteidiger zu den Vorwürfen vor Gericht äußern kann.

Der Einspruch muss innerhalb von zwei Wochen entweder schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts eingelegt werden. Wird der Einspruch zu spät oder nicht formgerecht eingelegt, wird das Gericht den Einspruch durch Beschluss verwerfen. Gegen den Beschluss des Gerichts ist nur noch die sofortige Beschwerde statthaft. 

 

Besonderheiten der Verteidigung im Strafbefehls­verfahren

Wird gegen einen Strafbefehl ein zulässiger Einspruch eingelegt und kommt es infolge dessen zu einer Hauptverhandlung, besteht die Gefahr, dass das Gericht eine härtere Strafe gegen den Angeklagten verhängt, als es im Strafbefehl vorgesehen war. Das „Verbot der Verschlechterung“ gilt insoweit nicht. Es ist daher im Vorfeld akribisch und regelmäßig – im Hinblick auf die Einspruchsfrist – unter Zeitdruck die Rechts- und Beweislage kritisch zu untersuchen und ein mögliches Strafurteil nach einer mündlichen Verhandlung durch das Gericht zu antizipieren.

Soll im Wege des Strafbefehlsverfahrens eine Geldstrafe verhängt werden, muss die Staatsanwaltschaft häufig das Einkommen des Beschuldigten schätzen, um eine konkrete Tagessatzhöhe zu beantragen. Nicht selten beantragt die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf das tatsächliche Einkommen des Beschuldigten eine eigentlich zu niedrige Tagessatzhöhe. In solchen Fällen gilt es zu beachten, dass durch eine an sich erfolgreiche Verteidigung nach Durchführung der Hauptverhandlung durch das Gericht zwar die Anzahl der Tagessätze reduziert werden kann, wegen des tatsächlich höheren Einkommens des Angeklagten aber eine höhere Tagessatzhöhe droht. Dies kann aus Sicht des Angeklagten zu dem ungünstigen Ergebnis führen, dass das Gericht zwar eine geringere Schuld des Angeklagten anerkennt, in Summe die durch Strafurteil verhängte Geldstrafe für den Angeklagten aber höher ausfällt, als es im Strafbefehl vorgesehen war. Schätzt die Staatsanwaltschaft das Einkommen des Beschuldigten tatsächlich zu hoch ein und beantragt daher eine zu hohe Tagessatzhöhe, kann die Einlegung eines beschränkten Einspruch gegen die Tagessatzhöhe sinnvoll sein. In diesen Fällen entscheidet das Gericht häufig durch Beschluss im schriftlichen Verfahren, sodass eine für den Angeschuldigten belastende Hauptverhandlung umgangen werden kann.